in Kooperation mit der Universität zu Lübeck
Untersuchungen zum Schilfwachstum an der Wakenitz
Karte
Phragmites australis (CAV.)TRINIUS ex STREUDEL (= P. communis TRIN.) Gewöhnliches Schilfrohr, Schilf, Reet
2. Morphologie der Schilfpflanze
3. Fortpflanzung und Entwicklung
4. Anpassungen von Schilf an den Lebensraum
Phragmites australis
Morphologie der Schilfpflanze
Rispe
Halm
Spross-Querschnitt
Blattquerschnitt
Schifrhizom mit Puppen des Schilfkäfers
Rhizom-Querschnitt
vegetative Fortpflanzung
Wurzel Querschnitt
Schilffrucht
Schilfährchen
Schilfblüte
Zonierung eines Schilfbestandes 4
Keimung
Systematik: Pflanzen - Blütenpflanzen - Bedecktsamer - Einkeimblättrige Bedecktsamer (Monokotyledone)
Ordnung: | Süßgrasartige (Poales) |
Familie: | Süßgräser (Poaceae) |
Gattung: | Schilfrohre (Phragmites) |
Art: | Schilfrohr (Phragmites australis, synonym Phragmites communis Trin.) |
Unterscheidung dreier Unterarten (alle auch in Europa vorkommend)
Gliederung der Schilfpflanze
Ä: | Ährchenstand, Rispe |
H: | Halm |
B: | Blatt |
AV: | Adventivwurzel |
S: | Spross |
R: | Rhizom |
Blütenstand: Rispe
Länge: ca. 9 bis 65cm, am Ende eines Halmes
besteht aus vielen gestielten Ährchen
Ährchen 10 - 16 mm lang, 2 - 6-blütig, unterste Blüte männlich, die übrigen zweigeschlechtlich
im Bild: Schwellkörper, Staubblätter und Fruchtknoten mit Narben
Halm
Halmhöhe: 1,25-4,00m (abh. von Entwicklungsbedingungen und Größe des jungen Unterwassersprosses im Frühjahr) 1
Halmfärbung: grün bis gelblich-braun; bei Reife gelb; glatte, glänzende Oberfläche
Nodien: nicht herausstechende Knötchen am Halm
Internodien: Halmabschnitte zwischen den Nodien
Überwasserhalm
Blattscheide der Blätter um Halm gelegt: verringert Windwiderstand; Festigkeit
Versorgung der Pflanze mit O2 und CO2 von den Blättern über Leitbündel bis ins Rhizom und umgekehrt
Versorgung der photoynthetisierenden Pflanzenteile mit nährsalzreichem Wasser über Adventivwurzeln, Rhizom und Leitbündel des Halmes und der Blätter
Unterwasserhalm
Von Rhizom bis Wasseroberfläche
Adventivwurzeln können aus den Nodien wachsend ("Wasserblätter"): Wasseraufnahme aufgrund des osmotischen Drucks und der Wirkung der Transpiration - mittels spezialisierter Zellen - Hydropoten ("Wassertrinker"), z.T. auch O2-Aufnahme aus dem Wasser
Blattquerschnitt
Epidermis: äußere Schutzschichten des Blattes); Schließzellen auf der Ober- und Unterseite (typisch für eine Sumpfpflanze), Zellwände mit Silikateinlagerung (Fraßschutz)
Mesophyllzellen: photosynthetisch aktiv (grüne Längsstreifen des Blattes)
Gelenkzellen: ermöglichen Auf- und Abrollen des Blattes; bei Wasserverlust rollt Blatt auf, bei Wasseraufnahme rollt Blatt ab
Leitbündel (gelbe Längsstreifen des Blattes):
Holzteil (Xylem): Transport der Nährsalze in einem Wasserstrom aus Wurzeln bis in Blätter; Wasserdampfabgabe über Spaltöffnungen der Epidermen
Siebteil (Phloem): Transport der in Wasser gelösten Photosyntheseprodukte aus Blättern in alle Pflanzenteile → Ziel der Blattläuse
Sklerenchymring um die leitenden Gewebe herum: hält die Leitbündel geöffnetRhizom
verzweigter, im Sediment befindlicher und Stockwerke aufbauender Sprossteil mit Luftkanälen (Aerenchym)
Funktion: Verankerung der Pflanze im Boden, Speicherung von Nährstoffen → Einflussfaktor für Wachstum (versorgen Jungsprosse im
Winter unter der Eisdecke mit Nährstoffen, O2 und Wasser)
Im Frühjahr/Sommer: Abgabe des überschüssigen Sauerstoffs an Umgebung, was von Bakterien zur Zersetzung organischer Stoffe genutzt wird, Aufnahme frei werdender Nährsalze durch das Rhizom
Weitere Funktion: vegetative Vermehrung (siehe Fortpflanzung Schilf)
Lebensdauer: mehr als 3 Jahre (Absterben älterer Teile, Wachstum neuer Sprossteile)
Adventivwurzel
1 = Rhizodermis (Epidermis der Wurzel)
2 = Exodermale Zellschichten
3 = Sklerenchym
4= Aerenchym
5 = parenchymatische Schottenstruktur
6 = Zentralzylinder
7 = Xylem
8 = Phloem
9 = Markparenchym
Vegetativ über Rhizom (häufigste Form):
ganzjährig über Rhizomausläufer: genetisch gleiche "Klone" der Ursprungspflanze
Rhizomausläufer wachsen in der Hauptvegetationsperiode täglich bis zu 3 cm, ältere Rhizomteile sterben ab. Pflanze kann mehrere tausend Jahre alt werden.
Vermehrung auch durch abgespaltene und ausgeschwemmte Rhizomteile
Hauptvegatationszeit: April-Juli
Generativ über Samen (seltenere Form):
Früchte: Ährchenachse mit langen, abstehenden Haaren. Ausbreitung der Fruchtährchen als Schirmchenflieger, durch Schwimm- und Wasserausbreitung oder Haftausbreitung
Genotyp der Samen mit neuen genetischen Varianten im Vgl. zur Mutterpflanze
Samen mehrere Monate an Wasseroberfläche treibend überlebensfähig
Festsetzen des Samens in 2-3mm tiefem Wasser
Keimung nach 5-6 Tagen: Bildung eines Keimblatts (einkeimblättrige Pflanze)
Bildung von 2-4 Primärblättern: Photosynthese
Wachstum: Halmhöhe nach drei Monaten 20 bis 40cm, Austreiben von 4-6 Blättern, Bildung von Seitentrieben und Bildung des Rhizoms, Bildung von Adventivwurzeln zur Wasser- und Nährsalzaufnahme
Nach 1 Jahr: Rhizom 50-70 cm lang aus 12-14 Teilen, Halm 25 bis 70 cm hoch und 3mm dick
Nach 3 Jahren: erste Blüte
Nach 4 Jahren: 400 bis 1000 Halme vom etwa 8-10m breiten Rhizom gebildet
Wachstumsbedingungen:
Das an einem Gewässer wachsende Schilf gliedert sich in horizontaler Richtung in drei Zonen, das Land-, das Übergangs- und das Wasserschilf. Das Landschilf wächst landseitig oberhalb des mittleren Hochwasserpegels, das Übergangsschilf zwischen dem mittleren Hochwasserpegel und dem mittleren Wasserpegel. Das Wasserschilf schließlich wächst bis oberhalb des mittleren Niedrigwasserpegels oder bis in eine Wassertiefe von etwa einem Meter bei mittlerem Wasserstand, maximal bis zu einer Überstauungshöhe von 1,5 bis zwei Meter. 4
Im Bereich des Wasserschilfs befindet sich die empfindliche wasserseitige Ausbreitungsfront des Schilfs, die sich bei günstigen Umweltbedingungen weiter seewärts vorschiebt, bei ungünstigen sich wieder zurückzieht (siehe Tabelle unten) (Grosser et al. 1997). Die seeseitige Grenze eines Schilfbestandes liegt bei dem Sohlniveau bzw. der Wassertiefe, bei dem die Sprosse die Wasseroberfläche im Frühjahr noch durchstoßen können ohne für dieses Wachstum zu viel der in den Rhizomen gespeicherten Reservestoffe zu verbrauchen (Schmieder et al. 2003). Weiter müssen im ausgewachsenen Zustand des Halms drei oder vier Blätter über der Wasseroberfläche vorhanden sein um Photosynthese zu betreiben und über das Aerenchym die Rhizome mit Sauerstoff versorgen zu können. Breitet sich das Schilf über diese Tiefengrenze hinaus aus, stirbt dieser Teil des Bestandes bei dem nächsten Jahr mit normalen oder höheren Wasserständen wieder ab, weil die Halme im Frühjahr die Wasseroberfläche nicht erreichen können. Großflächige Schilfbestände, an denen die horizontale Zonierung sehr gut sichtbar ist, finden sich vor allem an Flachufern von eutrophen Stillgewässern, in denen für das Wachstum von Schilf genügend Phosphat und Stickstoff vorhanden ist. Von diesen beiden Nährstoffen werden die Vitalität und das seewärtige Ausbreitungspotential prägend beeinflusst (siehe Kapitel 2.3) (Rodewald-Rudescu 1974). Nährstoffarme Gewässerufer dagegen sind nur spärlich mit Schilf bewachsen, was aber nicht bedeutet, dass diese Bestände weniger stabil sind. Ein weiterer Unterschied zu Schilfbeständen in eutrophen Gewässern ist, dass die Zonierung in Land-, Übergangs- und Wasserschilf nicht sehr stark sichtbar ist.
Im Übergangsschilf sind die höchsten und vitalsten Halme eines Schilfbestands zu finden, die für das Überleben des gesamten Bestands wichtig sind, weil sie die meisten Blüten bilden und auch die vegetative Vermehrung zum Teil von hier aus erfolgt (Grosser et al. 1997, Ostendorp 1993a). Das Landschilf geht mit zunehmender Entfernung vom Ufer in Weidengebüsche oder Feuchtwiesen über.
Die Unterschiede zwischen Wasser- Übergangs- und Landschilf werden in der Tabelle nochmals zusammengefasst (nach Grosser et al. 1997, S. 10)
Wasserschilf | Übergangsschilf | Landschilf | |
---|---|---|---|
Lage | seewärtig | zwischen Wasserschilf und Landschilf | landwärtig |
Überflutungsgrad | ständig überflutet | Standort nicht ständig überflutet | Wasserspiegel liegt tiefer als Geländeoberfläche |
Substrat | anstehendes Sediment ohne Streuauflage, keine Verfilzung im obersten Rhizomhorizont | anstehendes Sediment mit Streuauflage, oberste Rhizomhorizonte teilweise verfilzt | in der Regel Streuwiesen-, Feuchtwiesen- bzw. Niedermoorstandort |
Bestandstyp | Reinbestand | Reinbestand | durchmischter Bestand |
Bestandsdichte | lockerer Bestand | dichtester Bereich | lockerer bis dichter Bestand |
Ausbreitung | seeseitige Ausbreitung durch Leghalme, Rhizomausläufer möglich | keine Ausbreitung möglich | landseitige Ausbreitung möglich |
Sonstiges | kurze Halme, spärliche Fertilität | Halmdichte, -länge und Fertilität sind deutlich größer, Substrat ist trittfester, Sedimentniveau deutlich höher | Halmdichte, -länge und Fertilität geringer als im Übergangsbereich, Durchmischung mit anderen Röhrichtarten, beginnende Verbuschung |